quinta-feira, 3 de março de 2016

Mein Freund und Dengue





Dengue ist heute in aller Munde, wer sich unwohl fühlt, Fieber hat und noch sonstige Körperschmerzen, der diagnostiziert an sich selbst recht schnell Dengue. Er gerät dann rasch in eine gewisse Panikstimmung und sucht entweder den Arzt auf oder lässt sich von Freunden und Familienangehörigen beraten. Jeder hat schon von solchen Fällen gehört, hat die schlimmsten Berichte im Fernsehen verfolgt und rät zu allen möglichen Arzneimitteln, von Aspirin über Paracetamol bis zu Antibiotika. Dann kamen auch die Geschichten von der Dengue Hemorágico auf, die die Patienten regelrecht innerlich verbluten lässt. Das ist dann weniger schön.
Doch wie bei so vielen Vorfällen, man gewöhnt sich daran, vor allem wenn nicht gerade jemanden  im engsten Freundes oder Familienkreis betroffen ist. Wenn ich im Internet forsche, dann finde ich, dass der Dengue-Virus bereits 1779 entdeckt wurde. Aber da war er noch weit weg, im tropischen Südostasien, später soll er dann in Uganda in Afrika aufgetaucht sein und irgendwann den Weg über den Südatlantik gefunden haben. Dramatisch wurde es dann 2008 in Rio de Janeiro, die Gesundheitsbehörde zählte 250.000 Fälle, davon 174 tödliche. Dies war dann auch ein Thema für die Fernsehgesellschaften. Dengue gehörte zum festen Bestandteil  der Abendnachrichten. Gesundheitsbehörden, Zivildienst, Fachärzte ja auch Politiker wurden pausenlos interviewt und sagten viel oder weniger Kluges zu der, nun Epidemie genannten,  Infektionskrankheit. Dabei wäre die Bekämpfung so einfach gewesen, stehende Gewässer regelmäßig besprühen, keine offenen Wasserbehälter  gefüllt lassen und die Stechmücke hätte kein so leichtes Leben gehabt. Da dies aber nicht geschah, freute sie sich darüber und pflanzte sich erfolgreich fort. Ja die Aedes aegypti , wie man diese Fliege wissenschaftlich nennt, entwickelte sich weiter, mutierte und heute transportiert sie sowohl den Zika-Virus als auch den Ausläufer Chikungunya. Eigentlich viel zu schöne Namen für eine so hässliche Fliege mit ihren langen, dünnen Beinen und dem gefährlichen zustechenden Stachel.
Wieder ist sie ein gutes Thema für die Medien, sie liefert permanent Nachrichten kostenlos und dies sogar weltweit. Brasilien ist dadurch nicht nur was seine politische und wirtschaftliche Situation angeht im Zwielicht der Weltpresse, sondern auch deshalb, weil ja in wenigen Monaten in Rio de Janeiro die Olympischen Spiele stattfinden und diese herrliche Stadt genügend stehende Gewässer aufweist. Man denke nur an die Bahia de Guanabara, dieser offene Schlund der vom Meer her die Schiffe in den Hafen trägt und dann weiter an den einstmals schönen Stränden von Flamengo und Botafogo vorbei zieht oder besser gesagt steht. Dort sollen die Segel- und Ruderwettbewerbe stattfinden. Man stelle sich das einmal vor, die Hochleistungssportler aus aller Welt, die wie teure Rennpferde trainiert, gepflegt und betreut werden, sollen sich nun nahezu hautnah in die stehenden, verseuchten Gewässer dieser Bucht begeben um im besten Fall einige Medaillen zu gewinnen. Einige nationale olympische Verbände haben ihre Athleten bereits vor den Gefahren gewarnt und ihnen freigestellt ob sie teilnehmen wollen oder nicht. Der australische Verband gab gar einen Orientierungsleitfaden für seine Athleten heraus in dem davor gewarnt wird in Lanchoneten sich zu versorgen, in kurzen Hosen und Hemden auf die Straße zu gehen, Fremde zu küssen oder gar ohne Präservativ  Geschlechtsverkehr zu haben. Selbst das Organisationskomitee der Spiele hat ein Einsehen mit den tausenden von Sportlern und lässt an allen Fenstern des olympischen Dorfs Fliegengitter anbringen. Kein Sportler soll sich ohne Schutzmittel auf die Straße wagen. Herrliche Aussichten für freie und fröhliche Spiele. Die Chemieindustrie wird dafür dankbar sein. Man hätte natürlich auch schon früher damit beginnen können. Die vielen Herde der Fortpflanzung der Aedes zu bekämpfen, aber das würde ja langfristige Planung und systematische Organisation voraussetzen.
In dieser recht gefährlichen Zeit erreicht mich ein Anruf eines lieben Freundes aus Berlin, er habe Sehnsucht nach Brasilien. Sicher er hat von den niedrigen Temperaturen und dem immer recht frischen bis eisigen Wind in der deutschen Hauptstadt genug. Wenn man vier Wintermonate hinter sich hat, dann sehnt man sich nach Sommer, Sonne und Meer. Doch auch diese drei verheißungsvollen Elemente sind nicht mehr so ungefährlich, Sommer ist der beste Nährboden für Dengue und die Zikafliege, Sonne kann Hautkrebs verursachen und das Meer naja, bei Recife sind es die Haifische, bei Bahia die Wellen und weiter im Süden die verschmutzten Strände. Auch nicht mehr die reine Freude. Doch er ließ sich die Idee nicht austreiben, schließlich verbringe er jedes Jahr ein bis zwei Monate in Brasilien, habe seine Freunde und seine Berufspartner hier, er ist Musiker. Doch so richtig wohl fühle er sich dieses Mal nicht, meinte er, denn es sei doch etwas anders, im Oktober, es war gerade noch angenehm mit der Witterung sei er im Tiergarten wie üblich morgens gelaufen, dazu muss man sagen, er hat keineswegs Übergewicht, im Gegenteil ein ranker, schlanker Typ, der weder raucht noch übermäßig trinkt, plötzlich fühlte er sich nicht mehr so ganz fit, setzte sich auf einen Baumstamm und rums  klappte er nach hinten weg. Dies sah ein Busfahrer der gerade langsam mit einer Touristengruppe die Sehenswürdigkeiten der alten und neuen Hauptstadt abfuhr. Er hatte ähnliches schon erlebt, hielt an, sprang heraus und kümmerte sich um den Bewusstlosen. Ein Arzt der eben auch joggte rannte vorbei und begann mit Wiederbelebungsversuchen, drückte den Brustkasten zusammen und pumpte bis die Rippen brachen. Inzwischen kam dann der gerufene Notarztwagen und brachte ihn in die Charité. Das alles dauerte doch 45 Minuten ohne Bewusstsein. Er wurde still gelegt und wachte erst einige Tage später wieder auf. Die eingeleiteten Tests ergaben keinerlei bleibende Schäden, was in einem solchen Fall angeblich nicht selbstverständlich sei.
Nach Monaten der Regeneration und  Reha-Betreuung sei er wieder hergestellt, aber irgendwie im Kopf verändert. Eine Unsicherheit habe sich eingeschlichen, wie vor einer ersten Reise, das sichere Vertraute sei weg, er horche täglich in sich hinein, überlege was gehe und nicht gehe, doch ein großes, schönes Projekt an dem er arbeite, müsse er in Brasilien beenden. Wie das denn sei mit der Dengue? fragte er, ob man denn frei auf den Straßen gehen könne, wie ansteckend der Zika-Virus wäre? Das kam mir dann doch etwas eigenartig vor. Brasilien ist eigentlich bekannt für seine Kriminalität, seine kleinen Straßendiebe, die auch meinen Freund schon einiger seiner Apparate entledigt haben. Doch all dies zählt nun nichts mehr, Dengue und Zika bilden das Image des Landes weltweit, nicht die Korruption unter den Politikern, nicht die Lava Jato Reinigungskampagne der Justiz, nicht die steigende Inflation und Arbeitslosigkeit, nein unser emsige, fleißige Stechfliege prägt das moderne Brasilienbild. Von Fußball  redet schon lange niemand mehr, die besten Spieler sind ja eh schon weg, von den Tangamädchen an den Stränden von Norden nach Süden kaum mehr jemand,  man hat sich auch daran gewöhnt oder die Hintern sind nicht mehr so üppig rund, der Schlankheitswahn hat auch Brasiliens junge Generation erfasst, die Vega-Welle, und der Karneval ist schon Routine, jedes Jahr nahezu das Gleiche. Also brauchte Brasilien ein neues Image zur Olympiade 2016: Dengue und Zika machen es möglich. Die vermeintliche Gefahr schreckt nicht unbedingt ab, sie kann ein Kitzel sein, ein extra Atrinalinschub, wer sich in die Gefahr begibt kommt darin um, sagt ein altes Sprichwort, doch nichts ist schöner als die Gefahr, wissen schon die Bergsteiger und Rennfahrer, wenn man dann überlebt, dann hat man den höchsten Punkt des Glücksgefühls erreicht. Auf Brasilien 2016 übertragen: Überall lauert die Gefahr, Dengue, Zika, Chikungunya, doch wer ohne sie zurück kommt, der hat ein erfolgreiches Abenteuer hinter sich.


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