terça-feira, 30 de abril de 2013

Der Vorteil ein jugendlicher Straftäter zu sein



 

In den letzten Wochen geschahen im Raum São Paulo einige Straftaten, die ein besonderes Echo sowohl in der Presse, als auch beim Publikum hervorriefen. Es waren grausame und hinterlistige Anschläge auf das Leben unschuldiger Menschen. Das Besondere daran ist, dass sie von Minderjährigen begangen wurden. Dies führt ganz natürlich zu einer öffentlichen Diskussion über das Strafrecht für Heranwachsende. Der Gesetzgeber geht davon aus, dass man unter Achtzehnjährige nicht mit der Härte des Gesetzes bestrafen, sondern sie korrigieren und von ihrem Irrtum abbringen soll. Dazu hat man besondere Einrichtungen geschaffen, sie werden CASA genannt  (früher FEBEM). Ein irreführender Begriff, denn er hat nichts mit einem Wohnheim zu tun, sondern es sind Jugendstrafanstalten. Man kann sie eher als Lehrwerkstätten der Kriminalität bezeichnen. Dort darf man nicht länger als drei Jahre verweilen und geht dann mit weißer Weste wieder in die Gesellschaft zurück. Gleichgültig ob man gestohlen, geraubt oder gemordet hat.

Die letzten Vorfälle zeigen, dass die kriminellen Jugendlichen sehr gut das Recht ihrer Sonderbehandlung kennen und deshalb besonders  motiviert und rücksichtslos ihre Verbrechen begehen. Man findet gar immer mehr Verbrechergruppen, die sich einen Jugendlichen halten, der dann die schwersten Delikte auf sich nimmt und somit seinen erwachsenen Kollegen eine mildere Strafe garantiert.

Die Justiz, die Verantwortlichen und die Gesellschaft schauen passiv zu, empören sich, demonstrieren vielleicht, aber die Politiker ändern nichts daran. Sie schützen den jugendlichen Verbrecher, ob sie es einsehen wollen oder nicht.

segunda-feira, 29 de abril de 2013

Wie du mir, so ich dir


                                                   

                                   die taktischen Demokratiespiele in Brasilien

 

Ansich war es doch etwas Unerhörtes: das oberste Verfassungsgericht verurteilte führende Politiker der Regierungspartei PT und einiger Koalitionsparteien zu langjährigen Haftstrafen, die sogar abgesessen werden müssten, wenn es tatsächlich dabei bliebe. Da aber in Brasilien nahezu alles biegsam ist, gibt es auch wieder die Möglichkeit, dass selbst gegen ein Urteil des obersten Verfassungsgerichts nochmals Einspruch erhoben werden kann. Dann muss dasselbe Gericht sein eigenes Urteil nochmals überprüfen, eine interessante demokratische Variante. Im Falle der Urteile wegen der Gründung einer kriminellen Vereinigung, welche recht schwer wiegen, die gegen zwei derzeitige Bundesabgeordnete, den ehemaligen PT-Parteivorsitzenden José Genoino und den ehemaligen Parlamentspräsidenten João Paulo Cunha sowie den ehemaligen Chefminister José Dirceu gefällt wurden, könnte dieser Einspruch tatsächlich Erfolg haben. Die Urteile fielen sehr knapp aus, mit 5 zu 4 Richterstimmen erfolgte die Verurteilung. Nun sind seitdem zwei der Bundesrichter in den Ruhestand gegangen, beide stimmten für die Verurteilung. Die Nachfolger wurden oder werden noch von der Präsidentin Dilma Rousseff ernannt. Man kann sich also leicht vorstellen, dass diese Neulinge anders abstimmen werden, und damit die von der Bevölkerung so begrüßten Urteile gegen korrupte Politiker, außer Kraft gesetzt werden.

Doch solange wollten die verurteilten Politiker und ihre Kollegen garnicht warten. Sie animierten ihre Kollegen im Rechtsausschuss des Kongresses, eine neue Präambel in die Verfassung aufzunehmen, die dem Kongress das Recht geben würde, Urteile des obersten Gerichts zu revidieren oder gar zu anullieren. Interessanterweise sitzen nun aber gerade zwei dieser Verurteilten im Rechtsausschuss und stimmten natürlich für den Entwurf. Dieser Vorgang ist sehr fragwürdig, wenn nicht sogar unmoralisch und antiethisch, allein der Entwurf ansich ist ein Versuch die demokratische Gewaltentrennung zwischen der Legislative und der Judikative auszuhebeln.

Da in Brasilien Politik mit sehr viel Emotionen gemacht wird, und auch die Herren Verfassungsrichter nicht ganz frei davon sind, setzte der honorige Richter Gilmar Mendes gleich ein entsprechendes Zeichen: er verhängte eine einstweilieg Verfügung gegen einen anderen Gesetzentwurf, nämlich die Beschneidung von Parteineugründungen. Da Präsidentin Dilma sich bereits im Wahlkampf befindet, obwohl die nächste Wahl erst im Oktober 2014 ansteht, hätte sie es natürlich gerne gesehen, dass eventuelle Kandidaten oder Kandidatinnen, die als Wahlplattform  eine neue Partei gründen wollen, dafür weder Mittel aus der Staatskasse noch Fernseh und Rundfunkrechte erhalten sollen. Dies zielt besonders auf die ehemalige Ministerin und Präsidentschaftskandidatin von 2010, Marina Silva, die dabei ist für ihre Bewegung eine neue Partei zu gründen. Auf einen Antrag der Oppositionsparteien hin, erließ Richter Mendes unverzüglich eine einstweilige Verfügung, gegen dieses neue Parteiengesetz. Von den Kongressführern wurde dies wiederum als eine unerhörte Einmischung in ihren Bereich  angesehen.

Man sieht, das alttestamentarische Gesetz: Auge um Auge, Zahn um Zahn, findet in der politischen Szene Brasiliens noch heute Anwendung.

segunda-feira, 22 de abril de 2013

Wer hat die bessere Zukunft, Brasilien oder Deutschland?


Dass man von Brasilien als dem Land der Zukunft spricht, ist schon lange eine Tautologie. Seit Stefan Zweig 1940 in seiner Euphorie diesen Begriff geprägt hat, wird er bei allen passenden und unpassenden Gelegenheiten angewandt. Nun hat das Land aber in den letzten zwanzig, und besonders in den letzten zehn Jahren, ohne Zweifel einen enormen Fortschritt durchgemacht. Die beiden Präsidenten, Fernando Henrique Cardoso und danach Luiz Inacio Lula da Silva, haben es tatsächlich fertiggebracht, dass die breite Masse der Bevölkerung, die in der Vergangenheit hauptsächlich um das Existenzminimum kämpfte, sich zu einer unteren Mittelschicht hocharbeitete. Dies geschah zunächst einmal durch die Kontrolle der Inflation, die von der vierstelligen auf eine einstellige Zahl reduziert werden konnte. In einer zweiten Phase griff die soziale Komponente, durch Familien, Milch, Gaszuschüsse, die Familien gewährt wurden, welche unter der Armutsgrenze dahinvegetierten. Diese Neukonsumenten wiederum, bewirkten einen Kauf und Verbraucherschub, der die gesamte Volkswirtschaft weiter brachte. Außer den Basisprodukten: Lebensmittel und Bekleidung, profitiert bis heute die Automobilindustrie davon.

Diese erfreuliche Entwicklung wurde während des ersten Jahrzehnts dieses Jahrhunderts durch die prosperierende Weltwirtschaft noch begünstigt, da Brasilien als Rohstofflieferant gefragt war. Außer den klassischen Produkten: Kaffee, Orangenkonzentrat, Holz und Baumwolle, entwickelte sich die Nachfrage nach Soja auf dem Landwirtschaftssektor, und vor allem Eisenerz für die wachsende Industrialisierung Chinas, mit einer Geschwindigkeit, dass man von einem außenwirtschaftlichen Boom Brasiliens sprechen konnte. Besonders bei den Bodenschätzen konnte der ehemalige staatliche Großkonzern – Vale – praktisch die Preise diktieren. Mit dieser Entwicklung wuchs sowohl das Bruttosozialprodukt, als auch die Kaufkraft der Massen. Die einstmals beträchtliche Staatsverschuldung konnte reduziert, und sogar beachtliche Devisenreserven angelegt werden.

Doch ist dies eine gute Basis für die Zukunft? Die Welt entwickelt sich in einem Tempo weiter, wie es bisher nie geschah. Ein Land wie China, das vor fünfzig Jahren noch so verschlossen war wie heute Nordkorea, entwickelte sich rasant, dass es bereits die zweitgrößte Wirtschaftsmacht der Welt darstellt, und in den nächsten Jahrzehnten zum Spitzenreiter USA aufschließen wird, wenn nicht gar überholt. Auch Indien schafft es, trotz seiner Masse von Bürgern, die unter der Armutsgrenze nach wie vor dahin vegetieren, eine technologische Entwicklung durchzumachen, die die Wirtschaft des Landes zunächst in Asien, bald aber auch weltweit zu einem ernsten Konkurrenten werden lässt.

Vor einigen Jahren wurde ja diese sehr heterogene Gruppe der BRICS-Länder kreiert, die eigentlich wenig gemein haben, als dass sie auf dem Sprung vom Entwicklungsland zu einer Wirtschaftsmacht sind. Wenn man nun diese fünf Mitgliedsstaaten näher betrachtet, so stellt man rasch fest, dass sie sich in zwei Gruppen teilen. Die eine sind Länder die wenig Bodenschätze besitzen und wie China, sich durch billige Produktionskosten und Disziplin zur „ Werkstatt „ der Welt entwickelten, und Indien, das dank seiner gut ausgebildeten Mittelklasse sowohl im Elektronikbereich, aber besonders in der Entwicklung von Software, ein führender Dienstleister wurde. Die andere Gruppe, bestehend aus Brasilien, Russland und Südafrika, bestreiten ihren Export hauptsächlich mit ihren Bodenschätzen und landwirtschaftlichen Produkten.

Führende Wirtschaftswissenschaftler haben nun die Entwicklungsmöglichkeiten dieser Länder, aber auch der hochentwickelten europäischen Staaten, untersucht und kamen zu dem Schluss, dass die Zukunft eines Landes von seiner Innovationskraft und Produktvielfalt beeinflusst wird. „ Labil ist der Wohlstand überall dort, wo er an einigen wenigen Produkten hängt“, meint der Physiker Luciano Pietronero von der Universität La Sapienzia in Rom. Genau dies ist aber der Fall bei Brasilien, Russland und Südafrika, sie leben von den Deviseneinnahmen der Bodenschätze und im Falle Brasiliens noch von den Agrarprodukten. Technologie und hochentwickelte Produkte findet man in der Exportstatistik dieser Länder wenig.

Vergleicht man diese Situation aber mit der Bundesrepublik Deutschlands, die nicht nur Basismaterialien einführen muss, sondern auch eine ganze Reihe landwirtschaftlicher Produkte, so gelingt es der deutschen Wirtschaft, trotz der Euro-Krise und den Divergenzen in der Europäischen Gemeinschaft, sich weiterhin als ein führendes Exportland von ständig weiterentwickelter Technologie auszuzeichnen. Dies basiert nicht nur auf der Arbeit von wenigen Großkonzernen, die Leistungen kommen vielfach aus den Entwicklungslaboren und Werkstätten der mittelständischen oder gar Kleinindustrie. Damit schafft das Land Mehrwert, der immer weltweit Abnehmer finden wird, und damit der Bevölkerung nicht nur Vollbeschäftigung, sondern auch Wohlstand garantieren kann.

Brasilien aber, das so gelobte „Gottes eigene Land“, hat bis heute noch kein klares Rezept wie es einen Beitrag zur technischen Weiterentwicklung oder fortschrittlichen Spezialisierung auf weltweit gefragten Gebieten leisten kann.

Wie bereits gesagt, die Entwicklung geht mit rasender Geschwindigkeit weiter und wer mit diesem Zug nicht mitfährt bleibt zurück. Es mag noch eine Weile gehen, dass Brasilien von seinem hungrigen und großen Binnenmarkt leben kann, aber bereits im nächsten Jahrzehnt kann eine Stagnation erfolgen, die Brasiliens Entwicklungs- und Wirtschaftskonzept empfindlich beeinflussen wird.

Das Land könnte es, die führenden Köpfe wissen es, aber es fehlt sowohl eine Strategie als auch der Wille zu einer mittel- bis langfristigen Diversifizierungs- und Technologiekonzeption. In den 1950er Jahren hat es Präsident Juscelino Kubitschek vorgemacht, danach erfuhr das Land eine industrielle Entwicklung, die erst durch die Militärs und ihre falsche Großmannssucht in den 1970er Jahren beeinträchtigt wurde. Davon hat sich weder die Wirtschaft, noch die Entwicklung des Landes bis heute voll erholt.

Das Deutschlandjahr in Brasilien ab Mai 2013 könnte ein Impulsgeber zu verstärkter technologischer Zusammenarbeit werden, wenn nur von Seiten Brasiliens die Bereitschaft zu Flexibilität kommen würde, aber sowohl veraltete Arbeitsgesetze, als auch ein Wulst von Abgaben, Steuern und Vorschriften behindert eine rasche Veränderung der brasilianischen Wirtschaftslandschaft. Dazu kommen noch die allseits bekannten und reklamierten Engpässe der Infrastruktur. Wahrlich keine guten Aussichten für eine rasche Änderung der Situation.

Die Welt wartet aber nicht auf Brasilien, sondern das Land muss sich dringend Gedanken machen, wie es nach den großen Festen in den Jahren 2014 und 2016 weitergehen soll.

Eckhard E. Kupfer